Die Saat von Gustav Regler

Die Saat von Gustav Regler

10.03.2015

Hanauer Kanon der Literatur“: In diesem Buch stellen 100 Hanauer Persönlichkeiten ihre ganz besondere Leseempfehlung vor. Es wurde 2014 vom Buchladen herausgegeben und ist nur hier erhältlich. Der folgende Text ist der Beitrag von Manfred Wagner:

Tja, lieber Dieter und alle, die im Buchladen ein so optimales Team bilden, leicht war es nicht, mich für ein einziges Buch zu entscheiden, weil es so viele gibt, die ich beeindruckend finde und eine Leseempfehlung allemal wert sind. Letztlich blieben drei in der engsten Auswahl.

Zwei davon waren absolute Bestseller, nämlich Ecos „Der Name der Rose“ und Allendes „Das Geisterhaus“. Beides faszinierend geschriebene Romane, aber wohl gerade weil sie so populär waren/sind, entschied ich mich für Gustav Reglers "Die Saat", einen historischen Roman über die Aufstände der Bauern im spätmittelalterlich-feudalistischen Zentral-europa.

Der Roman erschien 1936 bei einem Amsterdamer Verlag, nachdem Regler als „Staatsfeind Nr. 19“ aus Deutschland ins holländische Exil vertrieben worden war. Ernst Bloch schrieb im selben Jahr 1936 über das Buch: „...weit entfernt davon, die unterirdische Gegenwart der Geschichte zu vertreiben, heizt die Poesie, mitten im Stoff, dem Leser das Heute und Morgen ein.“

Ein Roman über Jahrhunderte zurückliegende Ereignisse also, dem es gleichwohl auf eindrückliche Weise gelingt, den Leser/die Leserin nicht nur in die Vergangenheit, das Gestern, eintauchen zu lassen, sondern auch, die Brücke zu Gegenwart und Zukunft, dem Heute und Morgen eben, zu schlagen, indem er die brutale Unterdrückung der Besitz- und Rechtlosen in den Fokus nimmt, die ihnen letztlich den Griff zur (Gegen-) Gewalt als Mittel legitimen Widerstands aufzwingt.

Kompromisse sind in der existenziellen Frage des Überlebens in ihrer Lage keine Option mehr.

Ein Sujet also, das über die rund fünf Jahrhunderte seit den Bauernkriegen – leider – hochaktuell geblieben ist. Man schaue sich nur die Konfliktherde in der Welt des 21. Jahrhunderts an.

Es ist zwar nicht mehr die Regel, dass Menschen wie seinerzeit bei lebendigem Leib gevierteilt werden. Ist es aber humaner, Menschen mittels unbemannter Killerdrohnen zu pulverisieren?

Reglers Protagonisten, der (historisch reale) Aufstandsführer Joss Fritz und sein (fiktiver) Freund und Mitkämpfer Martin sind Figuren, die gerade infolge Reglers unprätentiöser Darstellung dem Leser/der Leserin die Identifikation mit ihnen nahebringt. Sie sind tief verwurzelt im Alltag der Unterdrückten und Ausgebeuteten, nicht abgehobene strahlende Helden. Das Recht zum auch gewaltsamen Widerstand ermessen sie „am Elend der Kleinen und Einfachen“. Sie kämpfen einen Kampf, den sie trotz aller List und Schläue nicht gewinnen können, weil sich die weltlichen mit den kirchlichen Mächtigen zur Aufrechterhaltung ihrer Macht und ihrer Privilegien verbünden und sich dabei brutalster Mittel bedienen.

Am Ende ist der Kampf verloren. Vergebens aber war er nicht. Er hat, nicht unähnlich dem Kampf der antifaschistischen Widerstandskämpfer gegen die Nazidiktatur, die Welt ein Stück weit verändert, weg vom „elenden Heute“, hin zu einem „neuen Morgen“.

Nicht zuletzt dank des Widerstands gegen Unterdrückung, Folter und (Massen-) Mord gibt es die mittlerweile (fast) weltweit anerkannte UN-Menschenrechtskonvention, auch wenn sie vielerorts mehr oder weniger nur auf dem Papier steht und noch weit von einer praktischen, globalen Umsetzung entfernt ist. Dorthin zu gelangen, bedarf es weiterhin des Mutes zum Widerstand. Reglers Roman zeigt Menschen, die sich kompromisslos diesem Weg verschrieben haben. Dass er fünfhundert Jahre später noch immer nicht zu Ende ist, spricht nicht dagegen, ihn weiter zu gehen.

12,95 € inkl. MwSt.
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kartoniertes Buch, 380 S.
Sprache: Deutsch
Unionsverlag
ISBN: 9783293206304

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